Kerninformationen des umfassenden Artikels vorab
- Eigentümer haben ein Recht auf Steckersolargeräte (§ 20 Abs. 2 Nr. 5 WEG).
- Die WEG muss zustimmen und kann Vorgaben zu Montage, Optik und Versicherung machen
- Mieter brauchen doppelte Erlaubnis: vom Vermieter und von der WEG
- Sicherheit & Haftung sind zentrale Punkte – vom Anschluss bis zur Versicherung.
Sie hängen an Brüstungen, lehnen auf Terrassen oder blicken vom Balkon in die Sonne: Balkonkraftwerke – offiziell: Steckersolargeräte – sind zum Symbol der dezentralen Energiewende geworden. Günstig in der Anschaffung, leicht zu montieren, sofort einsatzbereit. Für viele Eigentümerinnen und Eigentümer ein kleiner Schritt in Richtung Unabhängigkeit von steigenden Strompreisen. Für Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) hingegen häufig der Beginn einer juristisch-technischen Gratwanderung.
Denn was auf privaten Einfamilienhäusern problemlos möglich ist, wirft im Miteigentum erhebliche Rechtsfragen auf. Wer darf was – und wo? Welche Rechte hat der einzelne Eigentümer, welche Pflichten die Gemeinschaft? Und wie steht es um vermietete Eigentumswohnungen, in denen nicht der Eigentümer, sondern der Mieter die Module aufstellt?
Spätestens seit Inkrafttreten des Solarpakets I im Mai 2024 ist klar: Der Gesetzgeber will die Nutzung von Balkonkraftwerken vereinfachen – auch im Wohnungseigentum. Mit § 20 Abs. 2 Nr. 5 WEG wurde ein ausdrücklicher Anspruch auf Gestattung verankert. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen viele Detailfragen – und nicht selten auch Konflikte: zur Montageart, zur optischen Beeinträchtigung, zur Stromsicherheit, zur Haftung im Schadensfall.
Dieser Fachartikel beleuchtet die rechtlichen, technischen und praktischen Besonderheiten von Balkonkraftwerken in der WEG – mit einem besonderen Fokus auf die Rolle vermieteter Eigentumswohnungen. Was dürfen Eigentümer? Wann muss die WEG zustimmen? Und welche Fallstricke drohen, wenn Mieter handeln, bevor juristische Klarheit herrscht?
Ein Leitfaden für alle, die nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Rechtsfrieden wahren wollen.
”Was technisch banal wirkt, kann rechtlich bedeutsam sein – insbesondere in der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Toni AltindagogluGeschäftsführer PANDION SERVICE
Technischer Hintergrund – juristisch relevant
Die juristische Bewertung eines Balkonkraftwerks beginnt nicht bei Paragraphen, sondern bei der Technik. Wer die rechtlichen Rahmenbedingungen verstehen will, muss zunächst wissen, was genau installiert wird – und wie. Denn zwischen einem mobilen Modul auf dem Blumenkasten und einer fest mit der Fassade verschraubten Anlage liegen nicht nur optische Welten, sondern auch rechtliche Kategorien.
Was ist ein Balkonkraftwerk?
Ein Balkonkraftwerk ist eine sogenannte Plug-in-Photovoltaikanlage. Es besteht typischerweise aus ein bis zwei Solarmodulen mit einer Gesamtleistung von bis zu 800 W (in Zukunft voraussichtlich bis 1.200 W), einem Wechselrichter zur Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom und einem Anschlusskabel, das direkt in die häusliche Stromversorgung eingespeist wird – meist über eine normale Schuko-Steckdose.
Diese technische Einfachheit ist der größte Vorteil der Geräte – aber zugleich auch der Grund für rechtliche Unsicherheiten. Denn durch den fehlenden, professionellen Netzanschluss verschiebt sich die Verantwortung für Montage, Sicherheit und ordnungsgemäßen Betrieb vollständig auf den Betreiber – sei es Eigentümer oder Mieter.
Aktueller Rechtsrahmen (Solarpaket I)
Mit dem Solarpaket I hat der Gesetzgeber die Nutzung solcher Geräte massiv erleichtert:
- Zulässig sind Anlagen mit max. 2 kW installierter Modul-Leistung und einem Wechselrichter bis 800 VA.
- Die Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt, erforderlich ist lediglich die Registrierung im Marktstammdatenregister (§ 8 Abs. 5a EEG).
- Übergangsweise ist sogar der Betrieb mit rückwärts laufenden Ferraris-Zählern erlaubt (§ 10a Abs. 3 EEG), bis ein Zweirichtungszähler oder intelligentes Messsystem installiert ist.
- Ein Wieland-Stecker ist nicht mehr verpflichtend – eine Schuko-Steckdose ist ausreichend.
Diese Änderungen haben zur Folge, dass eine Vielzahl von Personen nun ein Balkonkraftwerk anschaffen und selbstständig in Betrieb nehmen kann – ohne Elektriker, ohne Baugenehmigung, ohne Netzbetreiber. Doch was rechtlich erleichtert wird, ist nicht automatisch konfliktfrei im Wohnungseigentum.
Relevante Montageorte – und ihre juristische Bedeutung
Ob ein Balkonkraftwerk genehmigungspflichtig ist, hängt wesentlich vom Ort der Installation ab – insbesondere, ob es das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage verändert oder bauliche Substanz berührt.
Typische Orte:
- Balkonbrüstung außen (häufigstes Szenario) → bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum
- Balkoninnenfläche, Terrasse (nicht sichtbar) → ggf. sondereigentumsbezogen, unter bestimmten Voraussetzungen zustimmungsfrei
- Fassade oder Dach → regelmäßig zustimmungspflichtig, erhöhtes Konfliktpotenzial
- Gartenflächen, Sondernutzungsrecht → je nach Gestaltung der Fläche und Eigentumslage zustimmungspflichtig
Die Frage, ob eine Anlage „baulich verbunden“ ist, wird nicht allein nach dem Grad der Befestigung beurteilt. Entscheidend ist vielmehr die Veränderung der Optik, der Substanz oder der Elektrik – mit potenziellen Auswirkungen auf andere Eigentümer.
Ein einfach aufgestelltes Modul innerhalb eines Sichtschutzes kann genehmigungsfrei sein – ein über die Brüstung hinausragendes Modul in leuchtendem Blau mit Spiegelungseffekt wohl kaum.
Anschlussfragen und Rückwirkungen auf die Hausinstallation
Die größte Unsicherheit besteht häufig nicht in der sichtbaren Montage, sondern im unsichtbaren Teil: dem elektrischen Anschluss.
Denn obwohl Schuko-Anschlüsse erlaubt sind, ist der Rückfluss in die Stromkreise der Wohnanlage nicht risikofrei. Insbesondere in älteren Gebäuden mit bestandsgeschützter Elektroinstallation können Rückspannungen zu Problemen führen:
- Fehlauslösungen von Sicherungen
- Beeinträchtigung gemeinschaftlicher Technik
- Feuergefährdung oder Versicherungslücken
Zwar fordert das Gesetz keine fachgerechte Installation durch Elektriker – aber die WEG darf dies verlangen, etwa als Voraussetzung für die Gestattung. Ebenso dürfen technische Nachweise gefordert werden, dass das Hausnetz nicht beeinträchtigt wird. Auch Fragen der Zählertechnik und die Erkennbarkeit der Stromflüsse im Hausanschlusskasten gehören dazu.
Baurecht & Bauordnungsrecht – rechtliche Einordnung der Installation
Wer eine Photovoltaikanlage aufs Dach setzt, braucht eine Genehmigung. Wer ein Balkonkraftwerk installiert, in der Regel nicht. So die landläufige Meinung – die juristische Realität ist komplexer. Denn auch wenn Steckersolargeräte nicht unter das klassische Bauordnungsrecht fallen sollen, ist die Frage wann ein Balkonkraftwerk rechtlich als „bauliche Anlage“ oder „Bauprodukt“ gilt, keineswegs trivial.
Abgrenzung: Bauprodukt oder nicht?
Nach § 2 Abs. 10 Nr. 1 Musterbauordnung (MBO) gelten Bauprodukte als solche Produkte, die dauerhaft mit dem Gebäude verbunden werden. Bei Steckersolargeräten argumentiert der Gesetzgeber bewusst gegen eine solche Einordnung – mit dem Hinweis, dass:
- die Montage regelmäßig lösbar erfolgt,
- keine dauerhafte bauliche Verbindung mit tragenden oder raumabschließenden Teilen besteht,
- es sich eher um eine technische Einrichtung als um ein „Bauteil“ handelt.
Diese Sichtweise ist politisch gewollt – im „Solarpaket I“ wurde klargestellt, dass Balkonkraftwerke nicht unter die Bauprodukte-Verordnung fallen sollen. Eine gesetzlich bindende Definition fehlt allerdings bislang. In der Praxis bedeutet das: Es kommt auf die konkrete Ausführung an.
Montageart
Modul wird lose auf der Terrasse gestellt
Rechtsfolgen
Kein Bauprodukt, keine Genehmigungspflicht nach Bauordnungsrecht
Montageart
Modul wird fest mit der Brüstung verschraubt
Rechtsfolgen
Ggf. bauliche Veränderung, zustimmungs- und prüfpflichtig
Montageart
Modul wird an der Fassade mit Durchdringung befestigt
Rechtsfolgen
Bauordnungsrechtlich relevant, Prüfpflicht für Statik und Brandschutz
Keine Genehmigungspflicht – aber keine Genehmigungsfreiheit
Die Erleichterungen durch das Solarpaket bedeuten nicht, dass Balkonkraftwerke genehmigungsfrei im wohnungseigentumsrechtlichen Sinne sind. Denn:
- Das öffentliche Baurecht (Landesrecht) ist von den Vorschriften des WEG zu trennen.
- Auch eine genehmigungsfreie Maßnahme kann zustimmungspflichtig sein, wenn sie das Gemeinschaftseigentum betrifft.
- Die bauliche Veränderung gemäß § 20 WEG ist weiterhin beschlussbedürftig – unabhängig davon, ob ein Bauantrag gestellt werden muss.
Höhe der Montage – Diskussion um 4-Meter-Grenze
In der Vergangenheit wurde diskutiert, ob Balkonkraftwerke nur bis zu einer Montagehöhe von 4 Metern zulässig seien – mit Verweis auf die sogenannte „verfahrensfreie Höhe“ bei kleineren Anlagen. Diese Diskussion ist durch das Solarpaket I de facto beendet: Eine verbindliche Höhenbegrenzung existiert nicht mehr. Das bedeutet:
- Anlagen können auch an Brüstungen im 3. oder 4. OG installiert werden,
- Absturzsicherung und Verkehrssicherheit bleiben Pflicht.
Verwalter und Eigentümergemeinschaften sind daher gut beraten, bei Genehmigungsbeschlüssen konkrete Anforderungen an Montagehöhe, Befestigungssysteme und Rückbaupflichten zu definieren – insbesondere bei exponierten Lagen.
Verkehrssicherungspflichten & Haftung
Auch wenn es sich um eine kleine Solaranlage handelt, gelten die gleichen Grundsätze der Verkehrssicherung wie bei klassischen Baumaßnahmen:
- Die Befestigung muss last- und windstabil erfolgen.
- Der Betreiber haftet für herabfallende Teile – nicht nur gegenüber Dritten, sondern unter Umständen auch gegenüber der Gemeinschaft.
- Die WEG kann – und sollte – den Nachweis einer geeigneten Haftpflichtversicherung verlangen.
Zudem kann die Montage einer Anlage Einfluss auf den Versicherungsstatus der Wohnanlage haben (Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht). Wenn durch die Installation eine Prämienerhöhung entsteht, etwa wegen geänderter Risikobewertung, kann die WEG diese Mehrkosten nach Beschluss dem jeweiligen Eigentümer auferlegen.
Wohnungseigentumsrecht: Privilegierte bauliche Veränderung (§ 20 Abs. 2 Nr. 5 WEG)
Mit dem Solarpaket I hat der Gesetzgeber die Errichtung von Balkonkraftwerken ausdrücklich in das Wohnungseigentumsgesetz aufgenommen – und sie dort privilegiert. Das klingt nach Vereinfachung – ist in der Praxis aber differenzierter zu bewerten. Denn auch eine privilegierte bauliche Veränderung bleibt eine bauliche Veränderung – und somit zustimmungs- bzw. beschlussbedürftig.
Grundsatz: Bauliche Veränderung = Beschluss notwendig
Die Installation eines Balkonkraftwerks an der Brüstung oder Fassade stellt in nahezu allen praxisrelevanten Fällen eine bauliche Veränderung im Sinne von § 20 Abs. 1 WEG dar. Das hat auch der BGH mit Urteil vom 09.06.2023 (V ZR 140/22) bestätigt:
”Auch bauliche Maßnahmen mit geringem Eingriff in die Substanz des Gebäudes, die das äußere Erscheinungsbild verändern, unterfallen dem Begriff der baulichen Veränderung.
Toni AltindagogluGeschäftsführer PANDION SERVICE
Rechtsfolge: Für jede bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum ist ein Beschluss erforderlich. Der Verwalter darf keine Gestattungen aus eigener Kompetenz erteilen. Eine rein privatrechtliche Vereinbarung reicht nicht.
Die Privilegierung nach § 20 Abs. 2 Nr. 5 WEG
Der zentrale rechtliche Hebel für Balkonkraftwerke liegt in folgender Vorschrift: § 20 Abs. 2 Nr. 5 WEG:
Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die
- dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
- dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
- dem Einbruchsschutz,
- dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität und
- der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen.
Das bedeutet:
- Es besteht ein Anspruch auf Gestattung („kann verlangen“),
- Der Anspruch betrifft das „Ob“ der Maßnahme,
- Das „Wie“ bleibt weiterhin Gestaltungsspielraum der Eigentümerversammlung (vgl. § 20 Abs. 2 S. 2 WEG: „Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.“)
Grenzen des Anspruchs: Unzumutbarkeit (§ 20 Abs. 4 WEG)
Auch privilegierte Maßnahmen sind nicht schrankenlos durchsetzbar. § 20 Abs. 4 WEG begrenzt den Gestattungsanspruch dann, wenn:
- die Maßnahme zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führt,
- oder ein anderer Eigentümer unbillig benachteiligt wird – etwa durch unzumutbare optische Beeinträchtigungen, technische Risiken oder Eingriffe in seine Rechtsposition.
In der Praxis bedeutet das:
- Bei einheitlicher Fassadengestaltung (z. B. in denkmalgeschützten Gebäuden, Architektenhäusern, Villen) kann eine Ablehnung zulässig sein.
- Auch eine Schattenwirkung, Blendung oder Sicherheitsrisiken können eine Unzumutbarkeit begründen.
- Reine ästhetische Vorbehalte („Gefällt mir nicht“) genügen hingegen nicht.
Der Maßstab ist hoch – die Ablehnung eines Balkonkraftwerks muss sachlich begründet und objektiv nachvollziehbar sein.
Relevanz der Sichtbarkeit (§ 13 Abs. 2 WEG)
Ein besonderes Augenmerk gilt der Schnittstelle zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum:
- Wird das Balkonkraftwerk nicht sichtbar im Bereich des Sondereigentums (z. B. auf dem Balkonboden hinter einem Sichtschutz) installiert, liegt ggf. keine zustimmungspflichtige bauliche Veränderung vor.
- Wird die Anlage hingegen außen sichtbar montiert, liegt regelmäßig eine optisch relevante Veränderung vor – mit Zustimmungserfordernis.
Hinweis zur Abgrenzung § 13 Abs. 2 und § 20 WEG:
Sichtbare bauliche Veränderungen – etwa ein Balkonkraftwerk, das vom Straßenraum oder Innenhof aus einsehbar ist – können zwar formal im Bereich des Sondereigentums liegen (z. B. bei freistehender Aufstellung auf der Balkonplatte). Sobald jedoch durch die Sichtbarkeit das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage betroffen ist oder Gemeinschaftseigentum in Anspruch genommen wird (etwa für Verkabelung oder Anbringung am Geländer), greift regelmäßig § 20 WEG als zentrale Vorschrift für bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum.
§ 13 Abs. 2 WEG ist vorrangig dann relevant, wenn es ausschließlich um bauliche Veränderungen innerhalb des Sondereigentums geht, die dennoch nachteilige Auswirkungen auf andere Eigentümer entfalten – etwa durch Lärm, Lichtreflexionen oder sicherheitsrelevante Risiken. In der Praxis ist daher sorgfältig zu prüfen, ob eine Maßnahme nicht doch dem Beschlussregime des § 20 WEG unterfällt.
Quelle: § 13 Abs. 2 WEG; § 20 Abs. 1–2 WEG; Kommentierung Elzer in: Jennißen, WEG, 8. Aufl. 2022; HAUFFE online, Balkonkraftwerke in der WEG, 2024.
Der Status „angemessen“ – eine juristische Falltür
Der Anspruch aus § 20 Abs. 2 WEG besteht nur für „angemessene“ bauliche Veränderungen. Was angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab:
- Ist die Anlage technisch sicher?
- Ist sie optisch dezent?
- Wird sie fachgerecht betrieben?
- Entsteht ein Risiko für andere Eigentümer?
Die „Angemessenheit“ bildet damit den zentralen Prüfungsmaßstab für den Beschluss – und gleichzeitig eine juristische Falltür, wenn sie nicht ausreichend begründet wird. Verwaltungen sollten dies in der Beschlussformulierung aktiv berücksichtigen.
Eigentümerversammlung & Beschlussfassung: Vom Anspruch zur Umsetzung
Ein Anspruch auf Gestattung ist nur so viel wert wie der darauf folgende Beschluss. Und genau hier entscheidet sich in der Praxis, ob ein Balkonkraftwerk zur konfliktfreien Realität wird – oder zum Streitpunkt in der Gemeinschaft. Die Eigentümerversammlung ist das zentrale Organ, das die Umsetzung strukturiert, dokumentiert und legitimiert.
Einzelfallbeschluss vs. Generalerlaubnis
Die WEG hat zwei Optionen, mit Balkonkraftwerken umzugehen:
1. Einzelfallbezogener Gestattungsbeschluss
Ein Eigentümer beantragt konkret für seine Einheit die Gestattung zur Installation. Die Versammlung entscheidet über das „Ob“ (in der Regel Ja) und das „Wie“ (mit konkreten Bedingungen).
- Vorteil: hohe Kontrolle und Individualisierung
- Nachteil: mehr Verwaltungsaufwand, potenziell uneinheitliche Lösungen
2. Allgemeiner Gestattungsbeschluss (Generalbeschluss)
Die WEG erlässt einen generellen Beschluss, der allen Eigentümern unter bestimmten Bedingungen die Installation erlaubt – ohne erneute Einzelbeschlussfassung.
- Vorteil: Verwaltungsvereinfachung, Gleichbehandlung, vorausschauende Planung
- Nachteil: weniger Kontrolle über konkrete Ausführungen
Beide Varianten sind rechtlich zulässig, erfordern aber unterschiedliche Sorgfalt bei der Formulierung.
Was muss ein Beschluss beinhalten?
Ein rechtssicherer Gestattungsbeschluss – egal ob einzeln oder allgemein – sollte die folgenden Inhalte berücksichtigen:
Inhaltspunkt
Konkretisierung des Anlagentyps
Begründung / Zweck
Typ, Hersteller, technische Daten
Inhaltspunkt
Montageort & Ausrichtung
Begründung / Zweck
z. B. „außen an der Balkonbrüstung“, „nicht überstehend“, „max. 40° Anstellwinkel“
Inhaltspunkt
Farb- und Gestaltungsvorgaben
Begründung / Zweck
optische Einheitlichkeit, insbesondere bei Straßenfassaden
Inhaltspunkt
Verkehrssicherheit & Statik
Begründung / Zweck
Fachgerechte Montage nach Herstellerangaben, Sicherung gegen Absturz
Inhaltspunkt
Anschlussdetails
Begründung / Zweck
Nutzung vorhandener Steckdose, ggf. Verbot von Leitungsdurchführungen
Inhaltspunkt
Versicherungsnachweis
Begründung / Zweck
Privathaftpflicht inkl. Solaranlage, Ausschluss der Inanspruchnahme der GdWE
Inhaltspunkt
Kostentragungspflicht
Begründung / Zweck
Installation, Wartung, Rückbau, Prämienerhöhung bei Versicherungen
Inhaltspunkt
Nachweis Registrierung
Begründung / Zweck
Pflicht zur Vorlage des Eintrags im Marktstammdatenregister
Hinweis: Die Anforderungen müssen verhältnismäßig bleiben.
Anfechtungsrisiken – und wie man sie minimiert
”Ein fehlender oder fehlerhafter Beschluss ist ein Risiko für alle Beteiligten.
Toni AltindagogluGeschäftsführer PANDION SERVICE
Auch nach der Reform des WEG im Jahr 2020 sind fehlerhafte Beschlüsse weiterhin anfechtbar – insbesondere, wenn:
- der Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht,
- die Einberufung oder Tagesordnung fehlerhaft war,
- die technische Ausführung nicht ausreichend spezifiziert ist,
- der Antragsteller nicht alle Eigentümer gleich behandelt,
- oder bei Generalbeschlüssen keine Abwägung stattfand.
Praxisempfehlung:
- Beschlüsse immer schriftlich dokumentieren, möglichst mit Anlagen (z. B. Visualisierung, Produktdatenblatt).
- Bei Generalbeschlüssen: genaue Parameter formulieren und Voraussetzungen für die Genehmigungsfreiheit definieren.
- Antragstellende Eigentümer frühzeitig auffordern, alle relevanten Unterlagen einzureichen
Beschlusskompetenz des Verwalters? Fehlanzeige.
Ein häufiger Irrtum in der Praxis: Manche Verwalter sehen sich in der Rolle, einfache Balkonkraftwerke „ausnahmsweise genehmigen“ zu dürfen – etwa bei kleineren Anlagen oder augenscheinlich harmloser Montage.
Das ist unzulässig.
Die Beschlusskompetenz liegt allein bei der Eigentümerversammlung. Der Verwalter kann lediglich vorbereiten, beraten und umsetzen – aber nicht selbstständig entscheiden.
Vermietete Eigentumswohnungen: Rechte, Risiken und Schnittstellen
Die größte rechtliche Fallhöhe entsteht dort, wo Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht aufeinandertreffen – etwa wenn ein Mieter auf dem Balkon ein Steckersolargerät installieren möchte, die Eigentümergemeinschaft jedoch nicht informiert oder sogar ablehnend reagiert. Eigentümer, die ihre Wohnung vermietet haben, befinden sich dann in einer Doppelrolle: gegenüber dem Mieter als Vermieter, gegenüber der WEG als Mitglied mit Mitwirkungs- und Duldungspflichten.
”Vermieter stehen in der Mitte: Sie haften gegenüber der WEG – und schulden dem Mieter die Umsetzung seines Anspruchs.
Toni AltindagogluGeschäftsführer PANDION SERVICE
Mietrechtlicher Anspruch nach § 554 Abs. 1 BGB
Seit 2023 ist gesetzlich geregelt, dass Mieter einen Anspruch auf Erlaubnis zur Installation eines Balkonkraftwerks geltend machen können. § 554 Abs. 1 BGB lautet:
Der Mieter kann vom Vermieter verlangen, dass ihm bauliche Veränderungen der Mietsache […] erlaubt werden, die der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen.“
Einschränkung: Der Vermieter kann die Zustimmung verweigern, wenn die Maßnahme für ihn unzumutbar ist – unter Berücksichtigung aller Umstände.
Praxisfolge: Der Vermieter (Wohnungseigentümer) kann sich dem Wunsch des Mieters nicht ohne Begründung entziehen. Eine Ablehnung muss konkret und nachvollziehbar sein (z. B. Eingriffe in die Gebäudesubstanz, optische Veränderungen, technische Risiken).
Aber: Selbst wenn der Vermieter zustimmt, ist die Maßnahme noch lange nicht zulässig.
Kein Durchgriff gegenüber der WEG
Das Mietverhältnis entfaltet keine Wirkung gegenüber der Eigentümergemeinschaft. Ein Mieter kann keinen Anspruch auf Gestattung gegenüber der WEG geltend machen – nur der Eigentümer selbst ist berechtigt, einen Antrag zu stellen.
Kernaussage:
Der Mieter darf nichts, was der Eigentümer gegenüber der WEG nicht selbst durchsetzen könnte.
Das bedeutet:
- Ein Mieter, der ohne Genehmigung ein Balkonkraftwerk anbringt, verletzt nicht nur mietvertragliche Pflichten, sondern kann auch eine Störung des Gemeinschaftseigentums verursachen.
- Der Eigentümer haftet unter Umständen für die Beseitigung oder für Schäden durch das Verhalten seines Mieters – insbesondere, wenn keine Versicherung besteht.
Relevanz der Eigentümerpflichten
Eigentümer tragen die Verantwortung, das Verhalten ihres Mieters mit den Regeln der WEG in Einklang zu bringen:
- Sie sind verpflichtet, Gestattungsbeschlüsse einzuholen, bevor bauliche Veränderungen vorgenommen werden.
- Die Eigentümergemeinschaft kann Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen den Eigentümer geltend machen – nicht gegen den Mieter direkt.
Ein häufiges Missverständnis ist dabei das Urteil des AG Stuttgart (37 C 2283/20), wonach ein Mieter sein Balkonkraftwerk behalten durfte, weil die optische Beeinträchtigung gering sei. Dieses Urteil betrifft jedoch:
- ausschließlich das Verhältnis Mieter ↔ Vermieter,
- nicht das Verhältnis Eigentümer ↔ WEG,
- und schon gar nicht das Verhältnis Mieter ↔ WEG.
Fazit: Das Urteil ist nicht übertragbar auf WEG-Strukturen. Wer sich als Eigentümer darauf verlässt, riskiert, zwischen den Fronten zerrieben zu werden.
Handlungsempfehlung für vermietende Eigentümer
- Klare Regelungen im Mietvertrag (z. B. zu optischen Veränderungen, Elektrik, baulichen Maßnahmen, Zustimmungserfordernissen).
- Mieter vorab auf die Notwendigkeit der WEG-Gestattung hinweisen.
- Im Zweifel: selbst Antrag bei der Eigentümerversammlung stellen, nicht den Mieter handeln lassen.
- Nachweise über Montage, Technik, Versicherung selbst einholen und archivieren.
- Regelungen zur Haftung und Rückbau im Mietvertrag fixieren.
Empfehlenswert: Musterklauseln in den Mietvertrag aufnehmen wie:
„Bauliche Veränderungen der Mieträume – insbesondere solche, die das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage betreffen oder mit der Elektrik verbunden sind – bedürfen stets der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Vermieters. Bei Eigentumswohnungen gilt darüber hinaus: bauliche Veränderungen, die dem Wohnungseigentumsgesetz unterliegen, bedürfen zusätzlich der Genehmigung durch die Eigentümergemeinschaft.“
Versicherung & Haftung: Wenn die kleine Anlage große Risiken birgt
Ein Balkonkraftwerk wirkt auf den ersten Blick harmlos – kein Gas, kein offenes Feuer, keine beweglichen Teile. Doch aus Sicht der Haftung und Versicherung ist es eine technische Einrichtung mit potenziell erheblichen Risiken: für Personen, für Sachwerte und für die Eigentümergemeinschaft insgesamt.
Verkehrssicherungspflicht liegt beim Betreiber – auch bei Sondereigentum
Wer eine Solaranlage anbringt – ob auf dem Dach oder an der Balkonbrüstung – wird zum Verantwortlichen für deren sicheren Betrieb. Das gilt uneingeschränkt auch bei kleinen Steckersolargeräten.
Pflichten des Betreibers (Eigentümer oder Mieter):
- Sichere Befestigung: Die Konstruktion muss sturm- und schneelastsicher sein.
- Verhinderung herabfallender Teile: Absturzsicherung ist Pflicht – insbesondere bei Montage an Außenwänden und in oberen Etagen.
- Vermeidung von Blendung / Lichtreflexionen: Keine unzumutbaren optischen Störungen für Nachbarn.
- Sicherer elektrischer Anschluss: Kein Rückstrom in die Hausanlage, kein Kurzschlussrisiko.
Wichtig: Diese Pflichten gelten auch, wenn der Betreiber nur Mieter ist – im Zweifel haftet jedoch der Eigentümer gesamtschuldnerisch mit, insbesondere gegenüber der WEG oder Dritten.
Versicherungslage: Nicht automatisch mitversichert
Balkonkraftwerke sind in den allermeisten privaten Haftpflichtversicherungen nicht automatisch eingeschlossen. Gleiches gilt für die Gebäudeversicherung der WEG.
Daraus ergeben sich drei Prüfebenen:
Versicherung
Private Haftpflicht des Betreibers
Was ist zu klären?
Deckt sie den Betrieb von Balkonkraftwerken ab? Muss sie erweitert werden?
Versicherung
Gebäudeversicherung der GdWE
Was ist zu klären?
Wird die Installation als Risikoerhöhung gewertet? Steigt die Prämie?
Versicherung
Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht
Was ist zu klären?
Ist der Schaden an Dritten durch herabfallende Teile abgedeckt – auch wenn ein Eigentümer schuldhaft handelt?
Konsequenz:
- Die WEG kann im Beschluss festlegen, dass eine individuelle Versicherung nachzuweisen ist.
- Ebenso kann vereinbart werden, dass der Antragsteller Mehrkosten durch geänderte Prämien selbst trägt (Handlungsempfehlung VDIV).
Rückbau- und Schadensersatzpflichten
Tritt ein Schaden ein (z. B. durch herabfallendes Modul, Schmorbrand, Glasbruch), stellt sich die Frage:
- Wer haftet gegenüber der Gemeinschaft?
- Wer haftet gegenüber Dritten (z. B. Passanten, Nachbarn, geparkte Fahrzeuge)?
- Wer trägt die Rückbaukosten bei Verstößen gegen Auflagen?
Grundsatz:
Der installierende Eigentümer haftet für alle Folgen seiner Maßnahme – auch bei späterem Verkauf oder Mieterwechsel, sofern keine vertragliche Haftungsübertragung erfolgt ist.
Eine fehlende oder unwirksame Regelung im Beschluss kann dazu führen, dass:
- die WEG auf Rückbaukosten sitzen bleibt,
- oder bei einem Versicherungsschaden Selbstbehalte oder Ausschlüsse greifen, die alle Eigentümer betreffen.
Praxisempfehlung für Eigentümergemeinschaften
- Beschlüsse immer mit Haftungsregelung kombinieren
- Versicherungsnachweis als Voraussetzung für die Gestattung
- Bei Generalbeschlüssen: Versicherungspflicht inhaltlich konkretisieren
- Keine Eigenbauten oder DIY-Lösungen zulassen, wenn Sicherheitsnachweis fehlt
- Dokumentation der Anlage (Fotos, Typenbezeichnung, Montageart) in der Beschlusssammlung archivieren
Fazit und Handlungsempfehlungen: Zwischen Technikfreiheit und Rechtsbindung
Balkonkraftwerke sind ein Symbol technischer Selbstbestimmung – aber innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft kein rechtsfreier Raum. Wer denkt, ein paar Solarmodule könne man „einfach so“ anbringen, verkennt die komplexe Gemengelage aus WEG-Recht, Mietrecht, Baurecht, Elektrosicherheit und Haftung.
Das Solarpaket I hat vieles vereinfacht – vor allem das „Ob“. Doch beim „Wie“ bleibt es kompliziert. Die Einbindung in die WEG ist unverzichtbar. Ein ordentlich beschlossener Gestattungsbeschluss ist kein bürokratisches Ärgernis, sondern ein notwendiger Rechtsrahmen zur Wahrung von Sicherheit, Einheitlichkeit und Verantwortung.
”Die Verwaltung ist nicht Gegner, sondern Moderator – zwischen Gemeinschaft, Eigentümern und Mietern.
Toni AltindagogluGeschäftsführer PANDION SERVICE
Balkonkraftwerke in der WEG sind machbar, sinnvoll und politisch gewünscht – wenn man sie klug regelt, technisch sicher umsetzt und rechtlich einbettet. Der Weg dorthin führt nicht über Eigenmächtigkeit, sondern über einen gut abgestimmten Beschluss. Wer das beachtet, profitiert nicht nur vom selbst erzeugten Strom, sondern auch vom friedlichen Miteinander im Gemeinschaftseigentum.
Kernaussagen
- Eigentümer haben einen Anspruch auf Gestattung (§ 20 Abs. 2 Nr. 5 WEG) – aber nur im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung.
- Der Verwalter hat keine Entscheidungsbefugnis, sondern nur vorbereitende und ausführende Funktionen.
- Die Einholung eines Beschlusses ist obligatorisch, sobald Gemeinschaftseigentum betroffen ist oder optische bzw. technische Veränderungen vorliegen.
- Mieter können zwar die Erlaubnis verlangen (§ 554 BGB), benötigen aber zwingend die Mitwirkung des Eigentümers – und indirekt der WEG.
- Versicherungsschutz, Rückbaupflichten und technische Standards müssen geregelt werden, um Streit und Haftung zu vermeiden.
Empfehlungen für Eigentümer
- Stellen Sie frühzeitig einen gut dokumentierten Antrag mit Visualisierung, Technikdaten, Versicherungsnachweis und Beschreibung der Montage.
- Klären Sie im Mietvertrag, dass technische Veränderungen stets der Zustimmung bedürfen – nicht nur Ihrer, sondern auch der WEG.
- Überwachen Sie die ordnungsgemäße Ausführung – auch wenn Ihr Mieter installiert.
Empfehlungen für Verwaltungen
- Setzen Sie auf Standardisierung: Einmal entwickelte Kriterien, Vorlagen und Musterbeschlüsse schaffen Klarheit und reduzieren Konfliktpotenzial.
- Dokumentieren Sie alle Unterlagen: Anlagen zum Beschluss, Nachweise zur Ausführung, Haftungserklärungen.
- Beraten Sie sachlich: Vermitteln Sie zwischen Interessen der Einzelnen und Schutzinteressen der Gemeinschaft – nicht ideologisch, sondern pragmatisch.
Empfehlungen für die Gemeinschaft
- Erwägen Sie einen generellen Gestattungsbeschluss, wenn viele Eigentümer interessiert sind – unter klaren technischen und optischen Rahmenbedingungen.
- Achten Sie auf Einheitlichkeit in der Außenwirkung, insbesondere bei Straßenfassaden und architektonisch anspruchsvollen Objekten.
- Schaffen Sie eine Haftungs- und Versicherungsregelung, die die Solidargemeinschaft schützt – ohne übermäßige Hürden für Einzelne aufzubauen.
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